Drucken

Im Berufsbildungswerk des Christophorus-Werkes Lingen e.V. werden Jugendliche mit Lern-behinderungen oder psychischen Auffälligkeiten ausgebildet. Seit 2015 können Auszubildende aus einigen Berufsfeldern Praktika in den Niederlanden absolvieren. Ein Erlebnis, das die jungen Menschen ein ganzes Stück wachsen lässt. Durchgeführt werden die Praktika gemeinsam mit dem Pool-Projekt EuroComp.

Foto: M. Kasper„Mit uns fängt Inklusion erst an“
Im Berufsbildungswerk des Christophorus-Werkes Lingen e.V. in Lingen (Ems) können junge Menschen mit Behinderungen für betriebliche Praktika in die Niederlande gehen.

Im Berufsbildungswerk des Christophorus-Werkes Lingen e.V. werden Jugendliche mit Lernbe-hinderungen oder psychischen Auffälligkeiten in insgesamt neun Berufsfeldern ausgebildet. Die meisten von ihnen sind im hauseigenen Internat untergebracht, ansonsten reicht das Einzugsgebiet von der Nordseeküste bis ins südliche Nordrhein-Westfalen. Das Christophorus-Werk versteht sich als Einrichtung zur Eingliederung von jungen Menschen mit Behinderungen sowie als Dienstleister und Kompetenzzentrum für berufliche Rehabilitation, Integration und Inklusion. Seit 2015 führt man in einzelnen Ausbildungsbereichen Praktika in den Niederlanden durch.

„Wir sind ganz bewusst keine Schule, sondern ein Ausbildungsbetrieb“, sagt Andreas Gaida, seit zwölf Jahren Ausbildungsleiter im Berufsbildungswerk des Christophorus-Werkes. Im Vordergrund steht dabei die Praxis, und so versuchen Gaida und sein Team den rund 300 Jugendlichen, die hier entweder in Berufsvorbereitung oder Ausbildung sind, das zu vermitteln, was sie später im Arbeitsmarkt brauchen werden.

Das ist keine leichte Aufgabe, denn jeder, der hierher kommt, bringt ein Handicap mit, sei es eine psychische Beeinträchtigung, eine Lern- oder eine Körperbehinderung. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer besonderen Unterstützung der Jugendlichen. Ziel der Arbeit in Lingen ist es, sie in ihrer Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und der Entfaltung ihrer individuellen Fähigkeiten zu fördern und ihnen so eine Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Die Zahlen sprechen für sich, liegt die Vermittlungsquote durchschnittlich doch bei stolzen 60 Prozent.

Andreas Gaida spricht in diesem Zusammenhang gerne von Ermutigung und einem konsequenten Weg der Inklusion, der im Christophorus-Werk gelebt wird. Das kann Klaus Topper, Ausbilder im Bereich Landwirtschaft, nur unterstreichen. Seit 2015 organisiert und betreut er mit seinen Kollegen in der Ausbildung die Europa-Praktika, die gemeinsam mit der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben aus Osnabrück als Poolprojekt ins Leben gerufen wurden. Im Rahmen der Auslandsaufenthalte verbringen sowohl Auszubildende aus der Landwirtschaft als auch aus dem Garten- und Landschaftsbau vier bis sechs Wochen in niederländischen Partnerbetrieben. Eine Zeit, in der die räumlich relativ geringe Distanz zu einem Riesenschritt im Leben der Auszubildenden wird.    

Henrik Peitsch, seit 2009 Projektkoordinator für EU-Mobilitätsprojekte bei Arbeit und Leben, hat die Zusammenarbeit seinerzeit initiiert. Für ihn ist das Projekt nach wie vor ein besonderes. Dazu Peitsch wörtlich: „Ich fand es sehr wichtig, gerade diesen jungen Menschen eine Chance zu geben, Auslandserfahrungen zu sammeln. Sinn und Zweck der Poolprojekte ist es ja auch, diejenigen zu unterstützen, für die das Antragsverfahren und die Mobilitätsmaßnahme nicht so einfach zu realisieren sind.“

Bei Andreas Gaida rannte Peitsch mit der Idee offene Türen ein, wobei der Ausbildungsleiter großen Wert darauf legt, das Projekt grenznah zu realisieren. Zum einen seien so die Barrieren niedriger, zum anderen eröffne sich in den Niederlanden auch ein potenzieller Arbeitsmarkt für die Auszubildenden. Für diese ist es vor allem eine Anerkennung, dass sie die Gelegenheit zum Auslandsaufenthalt erhalten, berichtet Klaus Topper, der während seiner Ausbildung selbst über ein Erasmus-Projekt in den Niederlanden war. „Um dort Partnerbetriebe zu finden, habe ich einfach meinen damaligen Gastgeberbetrieb angesprochen, der mich dann weitergeleitet hat. So kam eine Dynamik in Gang und es entstand nach und nach ein kleines Netzwerk“, schildert er die Anfänge der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit.  

Heute gibt es in der Landwirtschaft sechs Partnerbetriebe, im Garten- und Landschaftsbau zwei, wobei es sich bei letzteren um relativ große Unternehmen handelt, in denen mehrere Auszubildende unter-gebracht werden können. Im Vorfeld der Aufenthalte erfolgt jeweils ein Gespräch vor Ort, bei dem die Jugendlichen ihre Gastgeber kennenlernen sowie Inhalte und Abläufe der Praktika besprochen werden. „Die Resonanz ist bislang überwältigend, mehr als 20 Azubis waren seit 2015 in den Niederlanden zu Gast“, unterstreicht Klaus Topper, auf den immer wieder Jugendliche zukommen und fragen, ob sie nicht auch einmal an dem Programm teilnehmen könnten. Diejenigen, die dort waren, seien hinterher „ein ganzes Stück größer geworden“.

Ausbildungsleiter Andreas Gaida freut diese Entwicklung. Er hält die Zeit im Ausland mittlerweile für einen wichtigen Baustein der Ausbildung und ist ein wenigstolz, wie gut das Projekt funktioniert. Noch besser wäre es seiner Meinung nach, wenn auch andere Bereiche des Berufsbildungswerkes – beispielsweise Handwerker, Kaufleute oder Hauswirtschaftler –entsprechende Angebote etablieren würden. Noch ist dies Zukunftsmusik, doch intern sind die Landwirtschaft und der Gartenbau bereits eine Art „Leuchtturm“ für das Gelingen einer erfolgreichen Mobilitätsarbeit im Christophorus-Werk Lingen.